Litauen – Auf der Suche nach den letzten ihrer Art

by Uli Probst

Als junger Mensch war für mich die Welt noch klar aufgeteilt. Der kapitalistische Westen und der kommunistische Osten. Der kommunistische Bereich mit der Sowjetunion und seinen sozialistischen Bruderstaaten war für uns kaum greifbar. Man konnte schwer dorthin reisen, die Leute von dort konnten nicht in den Westen reisen, um nicht den kapitalistischen Verlockungen wie etwa Bananen und Coca Cola zu unterliegen. Also war es wie unbekanntes Land, obwohl etwa Prag viel näher war als Venedig. Es gab Pizza anstatt Pilsner Bier.

Das ist immer noch im Kopf, wenn man durch Tschechien, Slowakei, Polen, Litauen, Lettland, Estland und Russland reist. Wir waren irgendwie auf der Suche nach den Kommunisten. Diese Jungs verstecken sich heute. Nirgendwo waren lange Mäntel und Pelzmützen zu sehen, was man ja noch mit der Jahreszeit erklären kann. Aber auch keine Rothemden mit Halstüchern oder gestreckte Fäuste als Geste zum Klassenkampf. Keine Parolen wie „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch“ oder Leninstatuen. Keine Paraden mit Stechschritt, wie wir sie noch in Südamerika sahen. Ich hatte im Vorfeld noch die Hymne der Internationalen geübt. Alles für die Katz.

Da erfuhren von Grutas Park, im Volksmund auch Stalins World genannt. Ganz im Süden Litauens gelegen, direkt an der Grenze zu Weißrussland. Da war uns kein Umweg zu weit. Hier sollten sie doch zu finden sein. Diese Kommunisten.



Die Karte zeigt den kleinen Umweg, den wir nahmen. Auf der Suche nach den Kommunisten.





Der Schwammerlkönig von Litauen hat hier einen großen Park errichtet, in dem Relikte aus der Zeit des Kommunismus finden. Die ganzen Statuen aus den Städten waren vermutlich Anfang der 90er Jahre zum Schnäppchenpreis zu haben. Jeder wollte sie weg haben. Also machte Viliumas Malinauskas einen interessanten Park, in dem sich Museen und Statuen befinden.






Lebende Kommunisten fanden wir auch dort nicht, nur ein paar Tiere scharten sich um die Statuen. Ist diese Gattung vielleicht auch vom Aussterben bedroht? So wie die Nashörner in Afrika und die Nackerten im englischen Garten in München.



Vielleicht gibt es sie wirklich nur noch in den USA. Dort ist das Wort „communist“ eines der beliebtesten, besonders bei den Anhängern der Tea Party. Im Herzen des Kapitalismus hat das allerdings nicht nur eine positive Bedeutung.

Na dann halt weiter zur Kurischen Nehrung, unserem eigentlichen Ziel für diesen Tag. Was ist eine Nehrung? Keine Ahnung, schaut einfach bei Wikipedia nach. Wir waren auf einer Landzunge mit vielen Dünen und Wäldern. Auf der höchsten Düne neben der großen Sonnenuhr fand ich sie dann. Die letzte Kommunistin. Mit roten Hemd, militärischer Mütze und hocherhobener Faust.



Diese Frau nahm ich dann gleich mit in mein Zimmer in Nida. Es war das kleine Zimmer mit Balkon in diesem Häuschen und man hatte eine schöne Aussicht auf die Bucht. Da konnten wir abends noch romantisch ein Gläschen Wein am Balkon trinken. Für die Kommunistin natürlich nur Rotwein. Falls ihr denkt, dieser Witz ist dünn, vorsichtig ich kann noch flacher.




Was gibt es noch zusehen in der Nehrung?

Coole Dünen. Vor der Wiederaufforstung der Landzunge wurden regelmäßig Dorfer von den Wanderdünen zugedeckt. Im Hintergrund sieht man bis an die russische Grenze. Die Beamten haben Schwierigkeiten, die Grenzen wegen der Wanderdünen sichtbar zu halten.




Lange Ostseestrände. Dort tauchen überraschend Männer in Anzug und Fliege auf, die sich die Hosen ausziehen und in Unterhosen erst ins Wasser waten und dann an der Bar sitzen. Wir vermuten, es sind Musiker aus einem Orchester, die sich erfrischen und abkühlen wollen. Wir fragen nach. Es sind tatsächlich Computerwissenschaftler, die sich jährlich treffen. Die meisten Software-Ingenieure, die ich kenne (und ich kenne viele), tragen keinen Anzug und Fliege. Nun ja. Die Sitten in Litauen sind wohl andere, unsere Ingenieure sitzen dafür nicht in Unterhosen an der Bar.





Bunte Häuser mit Kurenwimpel (Windfahnen) vor dem Haus. Diese Wimpel erzählen jeweils eine Geschichte. Zum Beispiel „Wir haben 4 Kinder, in unserem Dorf gibt es eine Kirche, wir sind Fischer und haben ein Boot. Michelle kaufte sofort eine dieser Tafeln, die unsere Geschichte erzählt und auf einen Stab vor unser Haus kommt. „Wir haben 4 Kinder, wohnen neben dem Altenheim, arbeiten in der Software-Industrie und haben kein Boot“.







Lange schattige asphaltierte Fahrradwege. Die wünschen wir uns auch in Bayern.



Seit dem 1.Januar 2015 gibt es hier auch den Euro mit schönen neuen Münzen. Was man damit allerdings nicht kaufen kann, sind Königsberger Klopse. Es war immer eines meiner Lieblingsgerichte als Kind, wenn meine Mutter diese Hackfleischbälle mit einer hellen Kapernsauce machte. Jetzt bin ich 30 Kilometer von Königsberg entfernt und hier weiß man nicht mal was das ist.



Ist wohl wie mit Wiener Würstchen, die gar nicht aus Wien kommen. Naja, auf der Speisekarte findet sich ja dafür ein Schweinebraten. Doch die Enttäuschung kommt zurück als ich ein paniertes Schweineschnitzel mit einer weißen Sauce bekomme. Die Übersetzungen aus der Speisekarte sind manchmal etwas irreführend.



Ich glaube, das war das Wesentliche der kurischen Nehrung. Warum sie mitten im Sommer einen Weihnachtsbaum am Hafen stehen haben, konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen.



Auf unserem Weg nach Lettland besuchten wir dann noch eine der eindrucksvollsten Stätten, die ich bisher gesehen habe. Auf dem Berg der Kreuze haben tausende von Menschen immer wieder Kreuze angebracht, die wieder entfernt wurden. Die kommunistische Regierung ließ die Stätte auch mehrfach niederwalzen, aber es kamen immer neue Kreuze. So stark war der Wille der Menschen nach Freiheit und Christentum.

Natürlich brachten wir auch unser Kreuz dort an, genau wie das Brautpaar.




Als wir den Berg der Kreuze wieder verließen, kamen uns alte Bekannte entgegen. Computer Wissenschaftler trifft man ein überall. Diesmal sogar mit Hosen.



Nun geht es weiter nach Norden. Wir sehen uns in Lettland wieder.

Michelle und Uli



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